Tipp: Abspeichern und offline lesen. Ist billiger!!Der kleine Baum
Es war einmal ein kleiner Baum; der Samen aus dem er erwuchs
war wohl durch Zufall an den Waldrand getragen worden. Es war
so in etwa der südwestliche Waldrand. Es war eine Tanne oder
Fichte oder sonst irgendwie ein Nadelgehölz. Vor ihm war eine
wunderschöne Wiese, auf der man im Winter die Spuren der
Tiere sah, die sie bei der Nahrungssuche hinterlassen hatten.
Und immer im Frühjahr, wenn noch die letzten Schneeflecken auf
der Wiese zu sehen waren und die ersten Schneeglöckchen
verblühte waren, die im Schutze des kleinen Baumes aus dem
Winterschlaf erwachten, sprießen auf ihr dann immer zuerst die
Krokusse und kündigten den Frühling an. Darauf wurde langsam
die Wiese wieder grün und blühte in allen Farben des Frühlings
von gelb bis rot. Wie immer zu dieser Zeit kam, ja man könnte
die Jahresuhr danach stellen, kann eine Schafherde vorbei mit
einem netten Schäferhundmischling der sich in der Mittagssonne
immer im Schatten unseres kleinen Baumes ausruhte und an
diesem seine Markierungen hinterließ und ihn auch immer kräftig
düngte.Ab und an knabberte dann auch mal ein Schaf an seiner Rinde
herum, aber bis das Jahr vergangen war, war die Stelle wieder
verheilt. Einmal scharrte sich an ihm dann ein Wildschwein oder
ein andermal ein Reh seine Flöhe aus dem Fell. Wie die
Schafherde wieder fort war, war da auch schon meist der
Sommer da, mit seiner weißen, gelben, orange bis roten
Blütenpracht die zum Spätsommer hin ins lila überging. Und von
dem Hügel auf dem unser kleiner Baum stand konnte man dann
auch in die Ferne sehen. Einen blaß schimmernden See, ein
kleiner Teich in der Nähe, tiefe, und weite schwarze Wälder,
andere bewaldete Hügel ein paar Berge und ganz weit entfernt
davon, wenn das Wetter besonders schön und der Himmel klar
war, noch einige die sogar im Sommer Schneebedeckt waren.
Da wo er stand konnte er abends die Sonne untergehen sehn,
wie sie den Himmel in allen Farben leuchten ließ und dazu dem
plätschern des kleinen Baches lauschen, der an seinem Fuße
vorüber floß und dem Rauschen des Waldes zuhören, in dem der
Wind Geschichten aus längst vergangener Zeit erzählte. Wenn
dann die Schafherde wieder vorüberzog, und der
Schäferhundmischling wieder Schutz unter ihm suchte, wußte er
daß es nun Herbst wurde. Dann färbte sich die Blütenpracht der
Wiese in blau und lila. Ein Teil der Wälder die er in der Ferne sah
färbten sich rot und braun. Und wenn morgens die Sonne aufging
stand der Nebel über seiner Wiese. Abends kamen die Tiere
wieder aus dem Wald auf der Suche nach der karg gewordenen
Nahrung. Ja einmal sogar stieß ein Hirsch sich an ihm sein
Geweih ab. Ja und dann fiel der erste Schnee und der Baum
wußte, daß es jetzt Winter wird.So ging es Jahr ein Jahr aus. Mal dauerte der Winter etwas
länger, mal war der Sommer etwas kürzer. So wuchs der kleine
Baum vor sich hin und wurde größer und größer. Der nette
Schäferhundmischling wurde älter und eines lauen
Frühsommerabends schlief er unter dem kleinen Baum wie
gewohnt ein um am nächsten Tag nicht mehr aufzuwachen. Der
Schäfer begrub ihn Dann auch an dieser Stelle. Und seine
Wurzeln suchten sich den Weg zu dem begrabenen netten Hund,
der dem kleinen Baum immer viel Freude bereitet hatte und der
Baum schöpfte daraus Kraft um größer zu werden und weiter zu
wachsen. Im nächsten Jahr kam dann ein andere Hund mit der
Schafherde vorbeigezogen. Es war auch wieder ein Mischling
und genau so nett wie der andere. Auch dem gefiel es unter
unserem Baum. So wie all den anderen die ihm noch folgen
sollten. So verging abermals Jahr um Jahr und der nun nicht mehr
so kleine Baum wurde abermals größer zwar nicht mehr so
schnell, aber er wuchs weiter und wurde voller.So sah er auch wie der Wald den er von seinem Hügel aus
sehen konnte weniger wurde. Er sah Ansiedlungen, kleine
Dörfer, ja auch eine kleine Fabrik entstehen und wieder verfallen.
Mittlerweile war er ein ausgewachsener Baum geworden.Irgend wann dann in einem lauen Sommerabend, an dem die
Sonne wieder einmal besonders schöne Farbenspiel verführte,
als sie mit der Nacht ringte, kam ein junges Paar vorbeigezogen
und ließ sich unter dem Baum nieder um dieses Naturschauspiel
zu verfolgen. Die Frau saß vor dem Mann und er hielt sie ganz
fest im Arm, wie auf einmal aus heiterem Himmel dunkle Wolken
von Norden her über dem Wald aufzogen und es so, wie es der
Baum noch nie erlebt hatte, regnete. Der Mann nahm die Frau
noch fester in den Arm und beide rutschten ganz nah an seinen
Stamm, so daß der Baum ihr Herzklopfen, ihren Atem und ihre
Wärme fühlen konnte . Und es bot sich ein Schauspiel wie es
noch einer von den dreien erlebt hatte. Und das Paar konnte im
Schutze des Baumes alles Beobachten, wie die Blitze aus den
Wolken zuckten, wie der Regen nieder peitschte und der Bach
am Fuße des Baumes voller und voller wurde. Und genau so
plötzlich wie das Unwetter aufgezogen war, so schnell zog es
davon. Und in der letzten Helligkeit des Tages konnte man noch
leichte Nebelschwaden aufsteigen sehen.Die beiden saßen immer noch unter dem Baum und konnten das
alles Genießen, was sich dem Baum jedes Jahr von neuem bot.
inzwischen war es Nacht geworden, die Rehe kamen aus dem
Wald um zu äßen, ein paar Hasen tollten in dem noch nassen
Gras, der Bach schwoll wieder ab und das Pärchen schlief ein.
Nur noch durch das Grunzen einer Horde Wildschweine am
anderen Ende der Wiese gestört. Als am nächsten Tag die
Vögel den Sonnenaufgang ankündigten, und der Wald so
langsam wieder erwachte, erwachte auch das Pärchen wieder.
Das letzte Wild das die Nacht auf der Wiese verbracht hatte,
entschwand wieder in den Wald und die ersten Sonnenstrahlen,
ließen das Wasser, welches das Gewitter am Vorabend
gebracht hatte wieder in dünnen Nebelschleiern aufsteigen. Als
die Sonne dann stärker wurde und höher am Himmel stand erhob
sich das kleine Pärchen, das die Nacht über unter dem Baum
Schutz gefunden hatte, der junge Mann zog ein Messer aus
seiner Hosentasche und schnitzte ein großes Herz in den Baum
mit einem Pfeil zwei Namen und einem Datum. So zog das junge
Pärchen händchenhaltend von dannen. Der Baum spürte, er
mußte etwas ganz besonderes gewesen sein. Es mußte wohl
auch ein ganz besonderer Tag und eine ganz besonders schöne
Nacht gewesen sein. Nicht nur für ihn.Er erinnerte sich noch lange daran, auch als es schon wieder
Herbst geworden war, die Schafherde, inzwischen mit einem
Bobtail, wieder an ihm vorbeigezogen und der Winter Einzug
hielt. Irgend wann wurde es dann auch wieder Frühling. Die
Schafherde zog wieder vorüber, in diesem Jahr etwas früher als
im Vorausgegangenen. Der Baum erwachte aus seiner
Winterruhe und schwelgte eines Abends wieder in Erinnerungen
an diesen besonderen Tag im Sommer des Vorjahres, da kam
das junge Pärchen wieder des Wegs, schauten das Herz in ihm
an, das sie im Vorjahr in ihn geschnitzt hatten, schauten sich an
und hielten sich ganz fest im Arm. Sie sprach etwas mit einander.
Den Baum durchfuhr ein wohliges Gefühl.Einige Tage später an einem Vormittag, von ferne konnte man
Kirchenglocken hören, kam der junge Mann mit ein paar Brettern,
Hammer, Nägeln und baute eine Bank unter dem Baum, und
einen kleinen Steg über den Bach, von dem aus man, an
besonders heißen Sommertagen, seine Beine ins Wasser,
hängenlassen konnte. Von nun an saß das junge Pärchen fast
jeden Abend wenn es schön war, Sommers wie Winters, unter
dem Baum auf der Bank.Eines abends, es war wieder einer von der lauen und besonders
schönen, nachdem der junge Mann zu der Frau etwas gesagt
hatte, fielen sich die beiden in die Arme, drückten sich ganz fest,
sie küßte ihn, sie schauten das Herz an, das er vor Jahren in den
Baum geschnitzt hatte an, er legte Ihr etwas um den Hals, was es
war konnte der Baum nicht erkennen, und zückte sein Messer, es
war immer noch das selbe, auch wenn es inzwischen schon
etwas lädieret war, und schnitzte noch etwas in das Herz dazu.
Auch wenn es den Baum kurz wie immer etwas schmerzte, so
freute er sich und er wußte insgeheim wieder, daß er ein ganz
besonderer Baum sein mußte.Nach einigen Jahren, baute der junge Mann nur wenige Meter
von dem Baum entfernt ein Haus.Irgendwann hatte das Pärchen dann Kindern, mit denen sie wenn
sie die Zeit fanden ,zu dem mittlerweile ausgewachsenen Baum
gingen.Während er dann mit seiner Frau des abends auf der Bank saß,
tollten seine Kinder auf der Wiese, bauten Dämme in dem Bach,
Hütten in den Bäumen und spielten Verstecke im Wald.Das Paar wurde älter und die Kinder Größer doch wenn das
Paar noch Zeit fand gingen sie immer wieder des Abends zu
ihrem Baum setzten sich auf ihre Bank genossen den
Sonnenuntergang und schauten das Herz an, das er vor Jahren in
dem Baum geschnitzt hatte. Und wie immer hielten sich die
beiden dann ganz fest im Arm.Eines Tages kamen auch die Kinder dieses Paares mit ihrer
Freundin oder ihrem Freund und saßen genau so, wie ihre Eltern
vor Jahren, unter dem Baum, schauten sich Sonnenuntergänge
an und schnitzten ein Herz in den Baum. Noch später kamen
dann die Enkel dazu, lachten, spielten, tobten und tollten, wie ihre
Eltern, unter dem Baum im Wald, am Bach und auf der Wiese.Eines abends schließlich kam der Mann, alleine, er war über die
Jahre alt und grau geworden, mit trauriger Miene, setzte sich auf
die Bank, starrte in den Sonnenuntergang, der so schön war wie
damals, als er mit seiner Frau zum erstenmal unter dem Baum
gesessen war. Im kullerten einige Tränen über die Wangen. Der
Baum spürte die Traurigkeit des alten Mannes. Wie damals zog
ein Gewitter auf, und er saß die Ganze Nacht da bis am nächsten
Morgen die ersten Sonnenstrahlen die letzten Regentropfen in
einem leichten Nebelschleier gen Himmel hoben. Es war kühl,
den es war schon Herbst geworden. Und wie damals zog der alte
Mann das Messer aus seiner Hosentasche, es war immer noch
Dasselbe, und er schnitzte etwas hinter einer der beiden Namen.
Dann grub er noch etwas vor dem Baum ein, fast an der selben
stelle, wo vor vielen Jahren der Schäferhundmischling begraben
wurde.Von da an kam der Alte Mann jeden Tag zu dem Baum und saß
auf der Bank unter ihm, schaute in den Abendhimmel und
schaute den Baum an und all die vielen Herzen die inzwischen in
seine Rinde Geschnitzt wurden. Während dieser Zeit versuchte
der Baum noch eine seiner Wurzeln an diesen Gegenstand
voranzutreiben. Als er es geschafft hatte, stellte er fest, daß es
etwas metallisches war, er wußte aber nichts so richtig damit
anzufangen, es glaubte jedoch, daß es sich um das selbe
gehandelt haben mußte, was der Alte Mann damals als er noch
jung gewesen war der jungen Frau in seinem Schutze um den
Hals gelegt hatte.Mit der Zeit war auch der Baum war alt geworden. Das blieb dem
Alten Mann nicht verborgen, so kam der alte Mann eines
Frühlingsmorgen mit einem kleinen jungen Baum, solch einem
wie auch der alte Baum mal gewesen war, und Pflanzte ihn
genau dort wo er im Herbst des Vorjahres die Halskette
begraben hatte. So daß der kleine Baum in seinem Schutz
aufwachsen konnte.Schließlich kam der Alte Mann dann nicht mehr.
Einmal saß dann, an einem Spätsommerabend, wieder ein
junges Pärchen auf der Bank unter dem Baum, schaute in den
Abendhimmel und der Baum spürte, daß es sich dabei um
jemand handeln mußte, der als Kind schon in seinem Schatten
gespielt hatte. Sie hielten sich im Arm und unterhielten sich,
schauten irgendwann den Baum und die herzen in seiner Rinde
an. Er zückte ein Messer und schnitze in das erste Herz, das in
seine Rinde geschnitzt wurde, noch etwas ein hinter den anderen
Namen. Dabei spürte der Baum, daß es noch immer um das
selbe Messer handelte.Das Pärchen auf der Bank unter dem Baum saß noch die ganze
Nacht da und hatte sich lieb.Und wenn der Baum nicht vom Blitz getroffen wurde, kommen
immer noch weitere Herzen hinzu, und sollte es den Baum einmal
nicht mehr geben, so gibt es Tausend andere Bäume und einer
davon ist der kleine Baum der in seinem Schutz aufwachsen darf.
Wenn man nun an einem lauen Sommertag des abends unter
dem Baum auf der Bank sitzt, den Sonnenuntergang genießt und
ein leichter Wind geht, kann man den Wald diese Geschichte
erzählen hören.Wolf Wörz
Biberach, am 24. Mai 1997Quelle: Kniepert´s Seiten auf geht´s ......
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